Arbeitskräftemangel. Gekommen, um zu bleiben?

Arbeitskräftemangel. Gekommen, um zu bleiben?

Unser Thema am People Thursday, dem 15. September 2022:


Der Mangel an Arbeitskräften war noch nie so spürbar wie aktuell. Die heimischen Unternehmen suchen händeringend nach geeignetem Personal, um die derzeit vielzähligen offenen Stellen zu besetzen. Egal, ob hochqualifizierte Mitarbeiter:innen, Handwerker:innen, Lehrlinge oder weniger qualifzierte Mitarbeiter:innen – der Personalmangel zeichnet sich in allen Bereichen ab.

Laut Umfrage des Instituts für Bildungsforschung der Wirtschaft (ibw) an der im April und Mai 2022 rund 4.000 Betriebe teilgenommen haben, sind 73% der österreichischen Unternehmen stark oder sehr stark von einem Arbeitskräftemangel betroffen. Besonders hoch ist die Betroffenheit in der Industrie mit 85,6%, in im Tourismus und in der Freizeitwirtschaft mit 80,9%, in Transport und Verkehr mit 78,9% und in Gewerbe und Handwerk mit 75,9%. Hervorzuheben ist, dass mehr als 80% der Befragten in den nächsten 3 Jahren nicht von einer raschen Besserung der Situation ausgeht. Vielmehr sehen sie sich mit einer Verstärkung bzw. sogar einer großen Verstärkung des Problems konfrontiert.

Doch woher kommt der aktuelle Arbeitskräftemangel eigentlich?

Wir haben für Sie die wichtigsten vier Punkte zusammengefasst:

1. Der Wandel in der Demografie

Da unsere Gesellschaft immer älter wird und die Geburtenrate über die Jahre gesunken ist, fehlen der österreichischen und europäischen Wirtschaft junge Menschen, die Stellen nachbesetzen. Ein Lehrling in Österreich hat im Schnitt die Wahl zwischen rund 6 verschiedenen Ausbildungsplätzen. Dies wird sich auch in den nächsten Jahren nicht ändern und wird eine der größten Herausforderungen am Arbeitsmarkt bleiben bzw. sich in den nächsten Jahren noch verstärken. Das Angebot an Arbeitskräften ist damit nicht nur nicht gewachsen, sondern hat vielmehr zu sinken begonnen. Zudem steigt der Anteil an Hochschulabsolvent:innen zunehmend, wodurch sich die Erwerbspersonenzahlen reduziert. Gleichzeitig sinkt der Anteil an Personen mit abgeschlossener beruflicher Ausbildung überproportional.

2. Die ausländischen Arbeitskräfte fehlen

Seit der Corona-Pandemie bleiben viele dringend benötigte Arbeitskräfte aus dem Ausland aus. Die Sehnsucht nach der eigenen Heimat hat dazu geführt, dass sich viele um eine Beschäftigung in ihrem eigenen Land bemüht haben und nun nicht mehr nach Österreich kommen. Die Reform der Rot-Weiß-Rot-Card (siehe unseren Artikel vom 19.5.20223) könnte hier für Entspannung sorgen.

3. Die Wirtschaft „brummt“

Durch den starken Aufschwung der österreichischen Wirtschaft in den letzten Jahren ist zusätzlich eine große Nachfrage nach Arbeitskräften entstanden, die alle Branchen gleichzeitig erreicht hat. Diesen erhöhten aufschwungsbedingten Bedarf an Arbeitskräften gab es schon immer. Der Unterschied zu früher ist jedoch, dass über die letzten Jahrzehnte mit der wachsenden Wirtschaft auch die Zahl der arbeitenden Menschen entsprechend gestiegen ist. Diese natürliche Balance von Angebot und Nachfrage am Arbeitsmarkt wurde jedoch durch den demografischen Wandel nun regelrecht gestoppt, mit der Folge einer drastischen Erhöhung der Dynamik am Arbeitsmarkt über die letzten Jahre.

4. Wertewandel der Generationen

Jede der am Arbeitsmarkt tätigen Generationen hat prägende gesellschaftliche Erfahrungen gemacht, mit denen sich unterschiedliche Werte und Bedürfnisse nachvollziehen lassen. Besonders die junge Generation Z sticht mit dem Wunsch nach Entfaltung und Unabhängigkeit sowie einer klaren Abgrenzung von Arbeit und Privatleben hervor. Hierfür ist die Gen Z trotz oder gerade wegen der aktuellen Krisenzeit bereit, Abstriche wie ein geringeres Einkommen in Kauf zu nehmen. Die daraus entstehenden Forderungen nach verkürzten Arbeitszeiten, einem sinnstiftenden Job und Arbeitgeber sowie Mitgestaltungs- und Mitbestimmungsmöglichkeiten bringen Unternehmen als Arbeitgeber ins Schwitzen. Es erfordert ein Umdenken, um zukünftig attraktiv und wettbewerbsfähig zu bleiben.

 

Was bedeutet das für uns als Unternehmen und wie geht es weiter?

Wir haben keine Glaskugel, um die Zukunft vorherzusehen. Da es sich jedoch um nachhaltige Veränderungen der Gesellschaft handelt, lässt sich aus heutiger Sicht kein vorschnelles Ende des Arbeitskräftemangels abzeichnen. Die gute Nachricht ist: Wir sind diesen Entwicklungen am Arbeitsmarkt nicht machtlos ausgeliefert. Was es benötigt, sind neue Wege, um unsere Handlungsfähigkeit zu stärken bzw. wiederherzustellen. Dies erfordert besonders den Blick ins Innere des Unternehmens.

Wie können Sie sich nun bestmöglich für den Arbeitskräftemangel in den nächsten Jahren wappnen?

Eines vorweg – einen One-fits-all-Ansatz zur Lösung der Herausforderungen in den nächsten Jahren wird schwierig werden. Je nach Branche und Situation des Unternehmens braucht es eine Evaluierung der Ist-Situation und eine Individualisierung der Maßnahmenpakete. Hierbei kann an mehreren Stellschrauben im Personalbereich gedreht werden:

HR-Strategie

Die Rolle von HR hat sich in den letzten Jahren zunehmend zur Business Partnerin hin verändert, eine Entwicklung, die sich in einer entsprechenden HR-Strategie widerspiegeln sollte. Die HR-Abteilungen stehen vermehrt neuen Themenfeldern wie Nachhaltigkeit gegenüber. Es ist jetzt der ideale Zeitpunkt, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen und sich der sozialen Verantwortung gegenüber den eigenen Mitarbeiter:innen in einer krisengebeutelten Zeit zu stellen. Nutzen Sie den aktuellen Spin und richten sie sich an Ihrer Unternehmensstrategie aus.

Strategische Personalplanung

Getrieben durch die Digitalisierung und den Wandel vieler Businessmodelle verändern sich auch die Jobprofile eines Unternehmens. Verabschieden Sie sich von klassischen Personalbedarfsplänen und richten Sie Ihre Personalplanung stattdessen an Ihrer Gesamtstrategie des Unternehmens aus. Hinterfragen Sie u.a. die Anzahl der benötigten Mitarbeiter:innen sowie deren erforderliche Kompetenzen, Erfahrungen und Qualifikationen, um die Unternehmensstrategie auch entsprechend umzusetzen.

Employer Branding-Strategie

Setzen Sie sich insbesondere jetzt mit Ihrer Employer Branding Strategie auseinander. Hierbei braucht es unbedingt ein Zusammenspiel zwischen Unternehmensstrategie und den abgeleiteten Employer Branding Maßnahmen. Eine starke, authentische Arbeitgebermarke setzt das Bewusstsein um die eigenen Stärken und Entwicklungsfelder als Unternehmen voraus.

Strategisches Recruiting

Legen Sie Ihren Fokus auf die frühen Phasen des Recruitings. Optimierung der Recruiting- und Onboarding-Prozesse sowie eine zielgerichtete Suchstrategie sind hierbei das A & O. Die Candidate-Erlebnisse beginnen bei den ersten Kontaktpunkten mit dem Unternehmen und sind der erste Eindruck, der prägend sein kann. Die Entwicklung von Candidate-Personas zur Definition Ihrer Zielgruppen kann die Suche nach den richtigen Mitarbeiter:innen unterstützen.

Generationenspezifische Team- und Personalentwicklungsmaßnahmen

Noch nie gab es in der Arbeitswelt derart große Abweichungen der Bedürfnisse von Arbeitgeber:innen und dem Arbeitsmarkt. Der altbekannte Spruch „hire for attitude, train for skills“ rückt damit stärker in den Fokus. Die daraus resultierenden Skill-Gaps erfordern eine stärkere Individualisierung von Team- und Personalentwicklungsmaßnahmen in Form von Development Journeys. Maßnahmen nach dem altbekannten Gießkannenprinzip erzeugen demnach nicht die gewünschte Wirkung und sind durch neue Methoden abzulösen. Insbesondere ist der Blick auf die Bedürfnisse der verschiedenen Generationen zu richten.

Die Spannung bleibt also am Arbeitsmarkt weiter aufrecht, die uns jedoch dazu bringt, unsere Komfortzone ein kleines Stück zu verlassen. Unsere Empfehlung: Setzen Sie sich unabhängig der weiteren Arbeitsmarktentwicklung gerade jetzt mit sich selbst stärker auseinander und stellen Sie die Weichen für Ihr Unternehmen. People & Organisation der BDO unterstützt und begleitet Sie hierbei gerne in allen HR-Belangen, damit Sie bestmöglich gewappnet sind.

 
 

3) https://www.bdo.at/de-at/topics/corona-%E2%80%93-neustart-mit-ihrem-team/erleichterter-zugang-fur-fach-und-schlusselkrafte-aus-drittstaaten

 

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