Unser Thema am People Thursday, dem 29. September 2022:
Kennen Sie das, wenn Sie versuchen sich im beruflichen Kontext zu verständigen, es Ihnen aber trotz gemeinsamer Sprache nicht zu gelingen scheint? Der Eindruck des „Nicht-Verstanden-Werdens“ macht sich breit, gekoppelt mit den Gefühlen von Unverständnis, Verunsicherung, Wut oder Traurigkeit. Der Arbeitskontext stellt eine zwischenmenschliche Begegnung dar, in der sozialer Schmerz, ausgelöst durch misslungene Kommunikation und die damit einhergehende Enttäuschung, möglich ist. Nach aktuellem Forschungsstand1), betrifft sozialer Schmerz dieselben Hirnareale wie körperlicher Schmerz. Daher kann sich ein unachtsamer Wortwechsel auch manchmal wie eine Ohrfeige anfühlen.
Sprache in der Veränderung
Doch was passiert, wenn wir uns innerhalb einer sich transformierenden Organisation nicht ausreichend, stringent, verständlich und transparent untereinander austauschen? Laut einer Befragung der Porsche Consulting GmbH (2019) scheitern genau daran rund 77% aller Veränderungsvorhaben.2) Unbeantwortete Fragen zum „Warum“ der Veränderung, zu den künftigen Anforderungen und geplanten Initiativen führen zu zahlreichen Interpretationsspielräumen und verstärken die Unsicherheit.
Wirksam und achtsam eingesetzte Sprache während eines Change Prozesses erzeugt zur richtigen Zeit und am richtigen Ort einen ungemein positiven Energieschub. Sie adressiert und entkräftet Unsicherheiten, bringt Klarheit in der Informationsflut und schafft Orientierung. Vor allem vermittelt sie Verbundenheit, Zugehörigkeit und Wertschätzung.
Sprache schafft Wirklichkeit
Derzeit erleben wir ein bisher noch nie dagewesenes Tempo von komplexen Veränderungen auf mehreren Ebenen gleichzeitig. Um in diesen Zeiten nicht überfordert zu werden, ist eine unserer wichtigsten Bewältigungsstrategien in den gemeinsamen Austausch zu kommen. Wir kommunizieren, kooperieren und kollaborieren. Achten wir dabei auf einen emphatischen Einsatz der Sprache, sind wir imstande uns gegenseitig vor sozialem Schmerz zu bewahren.
Werden Veränderungen nicht benannt, besprochen und verstanden, reagieren wir darauf mit vielschichtigen Emotionen und unterschiedlichen psychologischen Abwehrreaktionen. Manifestiert sich in einer emotional belastenden Zeit des Umbruchs unsere Realität in Unverständnis, vergrößert sich die Unsicherheit. Aus dieser wiederum entsteht eine Angst, welche zur Entfremdung und Distanzierung führt.3)
Sprache trägt die Veränderung
Dabei könnte es so einfach sein mit Unternehmensveränderungen wirkungsvoll umzugehen:
- Wir wollen Klarheit darüber, womit wir uns künftig auseinandersetzen müssen.
- Wir wollen Wertschätzung für das bisher Erreichte erfahren.
- Wir wünschen uns Sicherheit in Form einer konkreten Handlungsstrategie.
- Wir wünschen uns Verbundenheit in einer Gemeinschaft von Gleichgesinnten.
Sind diese beschriebenen Aspekte während eines Change Prozess angesprochen, werden wir uns schrittweise mit der neuen Realität identifizieren können.
Sprache gestaltet den Veränderungsprozess
Starten wir doch gleich mal ein Gedankenexperiment: Denken sie an den Begriff „Transformation“. Die einen denken vielleicht an die wundersame Verwandlung einer Raupe zum Schmetterling, die nächsten an Optimus Prime – den faszinierenden Transformer (aus dem gleichnamigen Film „Transformers“), andere wiederum an eine körperlich erlebte Transformation nach intensivem Training und Betroffene an aktuelle Gegebenheiten in ihrem Unternehmen. Jeder von uns hat zu ein- und demselben Begriff eine unterschiedliche Deutung, verschiedenste voneinander differierende Assoziationen – geprägt aufgrund des eigenen Wissens, selbst gesammelter Erfahrungen sowie Ein- und Vorstellungen.
Oft trennt uns für einen gelungenen Austausch nicht nur eine rücksichtsvolle Sprache, sondern auch das gemeinsame Verständnis über Begrifflichkeiten: das Klären und die einheitliche Verwendung von Formulierungen ist demnach unumgänglich, wenn man will, dass man a) vom Selben spricht und b) auch dasselbe darunter versteht.
Um die Sprache in Veränderungsprozessen darüber hinaus zu fördern ist der klare, einfache, verständliche und einheitliche Ausdruck eine Notwendigkeit! Benennen wir Sachverhalte eindeutig, verwenden wir konsistent anschauliche Begriffe und widerspruchslose Kernbotschaften, erst dann ermöglichen wir konstruktive Emotionen.
Dialogformate haben besonders viel Kraft, wenn sie durch gemeinsame Interaktionen ein „Erleben“ des Zusammenhalts erzeugen. Kollaborationsformate fördern einen neuen Kreativitätsraum in dem gemeinsam und übergreifend gearbeitet wird. Durch das „gemeinsame Tun“ entsteht Verständnis, welches zu einem positiven Erleben beiträgt.
Vor allem Mitarbeitende während des gesamten Change Prozesses in die Veränderungsinitiativen miteinzubinden und ihre Rückmeldungen durch professionell gestaltete Reflexions- und Feedbackschleifen zu integrieren, erhöht Sichtbarkeit, fördert Commitment und vermittelt das Gefühl der Zugehörigkeit.
Die Top 5 Kommunikationsaspekte für die Gestaltung eines wirksamen Veränderungsprozesses
Sobald alle Beteiligten dasselbe Bild der Veränderung (One Picture) haben, dieselben Kernbotschaften vorantreiben (One Message), eine einheitliche Sprache sprechen (One Voice), Wertschätzung durch aktiven Dialog ausdrücken (One Team) und Raum schaffen, in dem Veränderungskommunikation stattfinden kann (One Room), gelingt Identifikation mit dem Veränderungsvorhaben.
- One Picture - Verständnis erzeugen durch ein klares Bild
Nutzen Sie eine plakative Sprache und Visualisierungen, um Ihr „Warum“, die Dringlichkeit des Wandels und den Hauptnutzen der Veränderung zu kommunizieren? - One Message - Motivation schaffen durch klare Kernbotschaften
Haben Sie eine verständliche und nachvollziehbare Botschaft, die Sie mit motivationaler Energie versorgt? - One Voice – Einheit signalisieren durch das Sprechen mit einer Stimme
Ist Ihr Informations- und Kommunikationsverhalten zielgruppengerecht, regelmäßig, aktiv, konkret und stringent? - One Team - Identifikation fördern durch einen strukturierten und kontinuierlichen Dialog
Nutzen Sie den Dialog schon als ein Mittel des gemeinsamen Denkens und der gemeinsamen Identifikation? - One Room - kulturelle Veränderungen anregen durch kommunikative Rituale
Gibt es bei Ihnen besondere Bereiche, in denen Veränderungskommunikation ritualisiert stattfinden darf?
Turbulente Zeiten des Wandels machen uns manchmal sprachlos. Wie heilsam ist es zu wissen, dass wir mithilfe der Sprache die Möglichkeit haben, allen Herausforderungen positiv zu begegnen. „Ändere deine Sprache und du änderst deine Gedanken.” (Karl Albrecht) Sprache kann so kraftvoll sein. Sie hat die Fähigkeit Zusammengehörigkeit zu vermitteln und uns mit positiver Energie zu versorgen. Nutzen wir diese treibende Kraft, um uns und andere in Zeiten des Umbruchs zu bestärken!
Autorin und Ansprechpartnerin:
Kerstin Tomancok
People in Change – People & Organisation
kerstin.tomancok@bdo.at
+43 5 70 375 - 1384
Zur Übersicht: Alle People Thursday-Themen